Der Krieg auf dem Schlachtfeld und in den “Bezirken der menschlichen Phantasie”

Ansichtskarte: „Die Deutschen erzwingen den Übergang über den Ypernkanal am Abend des 22. April 1915. Völkerkrieg 1914/16“. Amsichtskarte, gelaufen als Feldpost im Mai 1916, Sammlung Detlev Brum. Bereits Ende Oktober 1914 kamen bei Ypern afrikanische und indische Regimenter zum Einsatz. In der 2. Schlacht bei Ypern im März 1915 wurden indische Truppen erstmals mit Giftgasangriffen konfrontiert.
Seit Anfang Oktober 1914 informierten Dortmunder Lokalzeitungen über die ersten Gefechte an der Westfront zwischen deutschen und kolonialen Truppen und stimmten ein auf das, was noch kommt. Die deutsch-nationale Dortmunder Zeitung am 02.10.1914 zu den “Hilfsvölkern” aus Afrika und Asien sowie nordamerikanischen Indianern: “Weiße Abenteurer aus dem Norden werden neben den dunklen Hilfsvölkern fechten: beturbanten Indern, braunen Algeriern und Marokkanern, westafrikanischen Negern, gelben Siamesen vielleicht. Seltsam ist der Anblick dieser Aufgebote aus drei Erdteilen; fast nicht wie der Krieg, sondern wie der Spuk eines Krieges. Ist es eine Schaustellung? Ist ihre Wirkung auf das Furchtgefühl des Feindes oder auf das Täuschungsbedürfnis der eigenen Völker berechnet, soll sie auf dem Schlachtfeld einsetzen oder in den Bezirken der menschlichen Phantasie?”
Der “militärische Wert” der kolonialen Soldaten auf den Schlachtfeldern an der Westfront wurde von den – zensierten – Tageszeitungen in Dortmund zunächst gering geschätzt. Bereits einige Jahre vor Kriegsbeginn wurden die Bemühungen Frankreichs, Kolonialsoldaten für den Einsatz in Europa auszubilden, vehement abgelehnt, als Regelverstoß zwischen “zivilisierten” Völkern verstanden und davor gewarnt, dass die so ausgebildeten “dunklen Massen” sich gegen die europäischen Herren auflehnen werden. Die nach Kriegsende erfolgte Besetzung des Rheinlandes auch mit afrikanischen Soldaten wurde als “Schwarze Schmach” betitelt, der Ursprung des Begriffs reicht in die Zeit vor Kriegsbeginn zurück und wird mit Kriegsbeginn aktualisiert: “Schwarze Gefahr”, “Schwarze Flut”, “dunkle Massen”, “schwarze Bestien”, so umschrieb man in Dortmund – wie wohl in ganz Deutschland – den Einsatz der Kolonialsoldaten an der Westfront und nahm damit sprachliche Anleihen bei den propagandistischen Darstellungen der deutschen Kolonialkriege.
Um die “Bezirke der menschlichen Phantasie” in Dortmund und Umgebung kümmerte sich die Zensurbehörde des 7. Armeekorps in Münster, die im Wesentlichen die Kriegspropaganda steuerte und eine rege Kampagne gegen den “Kultur- und Rassekrieg” entfachte, den Deutschland zu bestehen habe. Die traditionsreiche sozialdemokratische Dortmunder Arbeiter-Zeitung – bis Kriegsbeginn ein Bollwerk gegen Kolonialismus und überwiegend immun gegen Kolonial-Rassismus – stand dabei nicht mehr zurück. Sie berichtet über die (angebliche) “Heimat der Turkos” („Turko“ stand allgemein für afrikanische Soldaten) an der senegalesischen Küste:
“In sittlicher Hinsicht sind die Sennegalesen, also die Turkos, minderwertig – in hohem Maße. … In der Heimat sind die Turkos durchaus harmlos, gegen den Fremden freundlich, selbst wenn dieser Fremde ein Deutscher ist, aber durch den “Kulturkrieg” werden sie zu Bestien!” (Sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung Dortmund, 28.11.1914)
Fritz Henßler, Stadtbezirksvorsitzender der SPD Dortmund-Nord und Vorsitzender des Dortmunder Vereins zur Förderung des internationalen Austauschs fortschrittlicher Erfahrungen (und ab 1946 Oberbürgermeister), hatte noch kurz vor Kriegsbeginn vor der chauvinistischen Verseuchung der Völker gewarnt. Doch die Mehrheit der Dortmunder SPD stützt den Kurs der Burgfrieden-Politik: Aus “schwarzen Proletariern“, wie man es noch kurz vor Kriegsbeginn “politisch korrekt” in der Dortmunder Arbeiter-Zeitung lesen konnte, wurden plötzlich wieder in zuvor jahrelang verpönter kolonial-rassistischer Manier die “Neger“, aus “ausgebeuteten schwarzen Proletariern” wurden “Minderwertige” und “Bestien” und schon bald wirkten Dortmunder Sozialdemokraten erstmals an Geldsammlungen für das Hilfswerk “Kolonial-Krieger-Spende” mit. Die Linken in Dortmund sagten dazu: “Die deutsche Sozialdemokratie ist nicht mehr. Am 4. August 1914 trat sie von ihrer historischen Rolle als Vorhut des proletarischen Befreiungskampfes zurück.”
Mehr als eine Million kolonialer Soldaten und Kriegsarbeiter aus Afrika und Asien wurden an der Westfront eingesetzt. Praktisch von den ersten Kriegstagen an wurde der Krieg an der Westfront von deutscher Seite propagandistisch auch als “Kulturkrieg” oder wechselweise “Rassenkrieg” inszeniert, anders ausgestaltet nutzte aber auch die französische und britische Propaganda rassistische Darstellungen als besondere Schmähform des Kriegsgegners. Die kolonialen Kontingente nahmen an allen wichtigen Schlachten an der Westfront teil, so an der Marne, an der Somme und bei Verdun. Es verwundert daher auch nicht, dass die “schwarz-weissen Begegnungen” praktisch fortlaufend und in allen “kriegstypischen” Szenen präsent waren: Im Schützengraben, beim Sturmangriff, in Straßengefechten, Häuserkampf, Zerstörung, Kavallerie-, Flugzeug-, Artillerie- oder Panzerangriff, im Nahkampf und bei der Versorgung der Verwundeten und das Sterben auf dem Gefechtsfeld. Über Ansichtskarten und andere Medien wurden diese “Weltbilder” in jeden Winkel Dortmunds bzw. Deutschlands transportiert.
Sie finden auf der nachfolgenden Unterseite weitere Informationen und historische Ansichtskarten, die Krieg und Propagandakrieg auf der Folie “koloniale Soldaten” darstellen.
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Verwendete Quellen:
Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs. München 2014
Christian Koller: “Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt”. Die Diskussion um die Verwendung von Kolonialtruppen in Europa zwischen Rassismus, Kolonial- und Militärpolitik (1914-1930). Stuttgart 2001
Dortmunder Zeitung 1914-1916
Arbeiter-Zeitung, Dortmund, 1914-1916
Der Kampf. Sozialistisches Propaganda-Organ für Rheinland und Westfalen, Nr. 4, 1916
- “Erstürmung eines Schützengrabens”
- “Byrrh. Vin Tonic et Hygienique. Prise d’une tranchée. Campagne 1914-1916″
- “Angriff auf einen deutschen Schützengraben. Völkerkrieg 1914-15″
- “Kampf mit indischen Truppen (Gurkhas) bei Ypern”
- “Les Sicks Indiens dans le Nord”
- “Deutsche Truppen schlagen indische Hilfstruppen bei Ypern”
- “Les Indiens à l’Attaque”
- “Indiens chargeant à la Baionnette”
- “Nachtangriff von Zuaven an der Lorettohöhe”
- “Spahi im Schützengraben in Flandern”
- “Troupe Indienne dans les Tranchées”
- “Indiens defendant une tranchée”
- “Episode aus den Kämpfen in den Vogesen”
- Ypernkanal am Abend des 22. April 1915
- “Les Allemands en déroute repassent l’Yser”
- “Une Charge de Turcos. Un contre vingt”
- “Bajonettangriff auf französische Schützengräben”
- “Charge de Zouaves a la Bassée – Guerre 1914-15″
- “Die Bayern erstürmen einen Schützengraben der Engländer bei Ypern”
- “Massa Prussian”
- “Voilà les Turcos: Gare aux Fesses!!!”
- “Bajonettangriff auf Schützengräben im Priesterwald”
- “Vernichtung eines Turko-Regimentes durch deutsche Truppen bei Ypern”
- “Sturmangriff der Zuaven auf eine deutsche Maschinengewehrstellung bei Soissons”
- Schlacht bei Soissons – “Sturmangriff der Zuaven”
- “Vernichtung von Turkos in der Schlacht von Dünkirchen”
- “Erstürmung eines von Zuaven und Turkos besetzten Hohlweges”
- “Erstürmung einer vom Feinde besetzten Mühle im Breuschtal”
- “Bataille de la Marne (Epernay). Assaut des Turkos”
- Amed-Ben-Kacy, soldat de 3. Tirailleurs Algériens
- “Furiose Kämpfe zwischen den Zuaven und preußischen Garde”
- Schlacht an der Marne – Angriff der Turkos
- Schlacht von Senlis. Ankunft der Turkos in Taxis
- “A Neufmontiers – Tirailleurs marocains inventoriant leur butin”
- Soissons – Eine Straße nach der Bombardierung
- “Kriegszerstörte Ruinen in Ablain-St-Nazaire”
- Goumiers algériens établis dans les ruines de Souain
- “Kavallerie-Attacke bei Soissons”
- “Le Général von Freise fait prisonnier dans le Nord, par les Goumiers Marocains”
- “Deutsche Kavallerie schlägt bei Lille ein französisches Zuavenregiment”
- “Deutsche Ulanen Attacke gegen Zuaven. 1914.”
- “Chasseurs d’Afrique”
- “Le Turco qui a tué 18 uhlans”
- “Nos Goumiers en action”
- Luftaufklärung
- “Mais quelqu’un troubla la fête”
- “Les Turcos! Pruscos!”
- “Turcos contre Batterie Allemande”
- “Capture d’un 77 Allemand par des Turcos”
- “Huit canons francais”
- “Prise d’une batterie allemande par nos zouaves et turcos”
- “Nos Tirailleurs Sénégalais enlèvent des canons aux Allemands“
- “Guerre 14/18 – Tir au Pigeon”
- “Überraschte Zuavenpatrouille”
- “Guerre de 1914. Turcos en action!”
- Kosaken im Osten und im Westen Turkos
- “Le clairon de Turcos Bel-Hadd-Hamed”
- “ça y à bon couïe, ça échauffe”
- “Nos Turcos”
- “Bravoure Allemande”
- “Tirailleurs algérien contre chasseur bavarois”
- “Du, du verletzt sein? … ich korrigieren dich …”
- “Grâce! Ne me fusillez pas”
- “La rêve d’un turco.”
- “Vengeance d’un Turco”
- “Fourreaux pour bayonnettes Françaises brévetés par Moltke”
- “Hardi les noirs!”
- Gnade
- “Verwundete “Freunde” der Engländer und Franzosen in Deutscher Pflege”
- “Nos Heros. Back From the battle”
- “Barbares noirs? Le bons Samaritains d’Afrique”
- Sénégalais et Algériens blessés
- Verwundete Soldaten
- “Soldats anglais et indiens blesses”
- “Tirailleurs marocains soignant un blesse allemande”
- “Tirailleur algerien soignant un blesse allemand”
- “Gefallener Zuave”
- Gefallene Turkos auf dem Schlachtfelde vor Reims”
- “Marokkanergräber bei Missy”
- “Ein Turkograb”
- “Kampf im Priesterwald”
- “Auf Vorposten. Von Turkos erbaute Schutzhütten”
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