Die chauvinistische – und rassistische – Verseuchung der Völker

"Die Hilfskräfte unserer Feinde!!!" Ansichtskarte, ungelaufen. Sammlung Markus Kreis. Die Ansichtskarte stellt einen afrikanischen Soldaten an der Westfront dar, der durch seine Kopfbedeckung als Muslim gekennzeichnet ist. Die Darstellung (wülstige Lippen, fliehende Stirn, Ohrring) repräsentiert die Figur innerhalb des Spektrums kolonialrassistischer Darstellungsformen als wild und unzivilisiert. Die Tätowierungen (?, abgebildet werden nackte, weiße Frauen) sollen anzeigen, dass "die" Afrikaner vor allem weiße Frauen "im Kopf" haben. Mit der Ansichtskarte wird das deutsche Publikum vor den angeblichen Gefahren gewarnt, die von afrikanischen Soldaten für deutsche Frauen ausgehen (Vergewaltigung, Rassenschande). Ein Beispiel des Zusammenwirkens von Kolonialismus, Rassismus und Sexismus. Zugleich verwoben mit kulturrassistischen Vorstellungen, die unter Berücksichtigung der deutsch-osmanischen "Waffenbrüderschaft" nur verdeckt propagiert werden konnten. Eine Vorwegnahme der "Schwarze-Schmach-Kampagne" nach Kriegsende.

"Die Hilfskräfte unserer Feinde!!!" Ansichtskarte, ungelaufen. Sammlung Markus Kreis. Die Ansichtskarte stellt einen afrikanischen Soldaten an der Westfront dar, der durch seine Kopfbedeckung als Muslim gekennzeichnet ist. Die Darstellung (wülstige Lippen, fliehende Stirn, Ohrring) repräsentiert die Figur innerhalb des Spektrums kolonialrassistischer Darstellungsformen als wild und unzivilisiert. Die Tätowierungen (?, abgebildet werden unbekleidete weiße Frauen) sollen anzeigen, dass "die" Afrikaner vor allem weiße Frauen "im Kopf" haben. Mit der Ansichtskarte wird das deutsche Publikum vor den angeblichen Gefahren gewarnt, die von afrikanischen Soldaten für deutsche Frauen ausgehen. Ein Beispiel des Zusammenwirkens von Kolonialismus, Rassismus und Sexismus. Zugleich verwoben mit kulturrassistischen Vorstellungen, die unter Berücksichtigung der deutsch-osmanischen "Waffenbrüderschaft" nur verdeckt propagiert werden konnten. Eine Vorwegnahme der "Schwarze-Schmach-Kampagne" nach Kriegsende.

Fritz Henßler, Stadtbezirksvorsitzender der SPD-Dortmund-Nord und zugleich Vorsitzender des Dortmunder Vereins zur Förderung des internationalen Austausches fortschrittlicher Erfahrungen, hatte 1914 zum Thema Kolonialismus eine klare Meinung: “Schande über das System der Eroberung, des Massenmords, der Krieg, der Massenplünderung, die Kolonialpolitik genannt wird.” Bei den Anti-Kriegsdemonstrationen der SPD-Dortmund im Fredenbaum (-Park) wenige Tage vor Beginn des Ersten Weltkriegs warnte der spätere Oberbürgermeister der Stadt Dortmund:

Kein Tropfen Blut darf den imperialistischen Profitinteressen geopfert werden. Nieder mit dem Kriege! Nieder mit Eroberungspolitik und Ausbeutung! Nieder mit der kapitalistischen Entartung, der chauvinistischen Verseuchung der Völker!“

Für die “chauvinistische Verseuchung” der Dortmunderinnen und Dortmunder war u.a. die nationalliberale “Dortmunder Zeitung” zuständig. Wenige Tage nach Kriegsbeginn heißt es:

Der Krieg wird eine innere Reinigung des Volkes zur Folge haben. Hinaus mit all dem ausländischen Zeug, mag’s heißen wie es will. Deutsche Sachen an die Stelle. … Reinigen wir uns selbst äußerlich und innerlich von allem Fremden! Wer jetzt noch an Ausländerei Geschmack hat, beleidigt das deutsche Volk.”

Luigi Rosa, Inhaber einer bekannten italienischen Weinhandlung in Dortmund, sah sich nach der Kriegserklärung Italiens an Deutschland und der folgenden Abschiebung von ungefähr 1.000 Italienern aus Dortmund und Umgebung (via Sonderzug ab Dortmund-Südbahnhof) zu Annoncen genötigt, in denen er zur Abwendung des Boykotts seines Geschäfts darauf hinwies, dass er deutscher Staatsbürger sei und seine beiden Söhne “zu den Fahnen geeilt” seien. Auch gab es plötzlich keinen exotisch umworbenen “Kakao” aus den Kolonien der Kriegsgegner sondern im Raum stand die Aufforderung “Deutsche: Kauft deutschen Kakao!” Aus den Völkerschauen und Varietés in Dortmund verschwanden die Künstler und Schausteller aus den Kolonien der Kriegsgegner und es traten nur noch wenige “exotische” Künstler auf: Praktisch über Nacht verwandelten sich die “Indischen Fakire” in “Türkische Fakire”, um polizeilicher Repression, Abschiebungshaft oder einem Auftrittsverbot zu entgehen.

In diesem Klima der “inneren Reinigung” von der “Ausländerei” blühten die eliminatorischen Vorstellungen von einem “Rassekrieg” gegen die “schwarzen Horden”, “gelben Teufel”, “Bestien aus dem tiefen Afrika” und gedieh das “süsse Gift” des infantilisierenden Kolonial-Rassismus, das sich u.a. in Ansichtskarten mit “niedlichen” schwarzen Kindern ausdrückt.

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Quellen:

Arbeiter-Zeitung, Dortmund, 1914

Dortmunder Zeitung, 1914

 

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Koloniale Veranstaltungen in Dortmund

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