Massenkundgebungen gegen koloniale Unterdrückung, Solidarität mit den Rifkabylen in Marokko, Veranstaltungen der Anarchisten über Mahatma Gandhi und die Revolution in Indien oder über die italienischen Kolonialgräuel in Libyen und immer wieder Belegschaftsversammlungen der Ruhrgebietszechen, in denen Bergarbeiter “mit Freude den heldenhaften Kampf der Arbeiter und armen Bauern Chinas gegen ihre Ausbeuter und Unterdrücker” begrüßten.
Mitte der 1920er Jahre entwickelte sich Antikolonialismus neben Antiimperialismus und Antimilitarismus als eine zentrale Säule im Weltbild der proletarischen Linken, die dabei allerdings, wie es scheint, die früheren deutschen Kolonien aus dem Blickfeld verloren.
„Wer wissen will, wie der Kampf in den Kolonien steht, der komme!“, so hieß es in Dortmund in der Einladung zur Kundgebung gegen Imperialismus und Kolonialunterdrückung, die im Rahmen des Kongresses der Liga gegen Kolonialgreuel stattfand. Als Redner angekündigt u.a. Nehru, der spätere erste Ministerpräsident Indiens, Senghor aus dem Senegal oder Fimmen für die Internationale Transportarbeiterföderation. „Die Kolonien“, das steht nun für alle Länder in Übersee: Der „Freiheitskampf der indianischen Bauern Boliviens“ ist ebenso ein Thema wie die Volksaufstände in Persien und Ägypten, die Politik des ANC in Südafrika oder auch die Ermordung von Sacco und Vanzetti oder die Anklage gegen die Scottsboro Boys (Kampagne der IAH zur „Freilassung der Negerjungarbeiter“) in den USA.
„Heute abend geht alles in die Rifkabylenversammlung“, so hieß es wiederholt in der kommunistischen Dortmunder Tageszeitung. Nicht nur in Dortmund, sondern auch in Lütgendortmund, Hörde, Lünen, Castrop-Rauxel und weiteren Städten der Umgebung. Achmed Hassan Mattar, „der Rifkabyle“, ein ursprünglich allerdings nicht aus Marokko sondern aus dem Sudan stammender Journalist, sprach im Auftrag der Internationalen Arbeiterhilfe über „die koloniale Unterdrückung und den Kampf der unterdrückten Völker um ihre politische und wirtschaftliche Freiheit“ im Allgemeinen und über den Befreiungskampf der Rifkabylen gegen Frankreich und Spanien im Besonderen.
Der Dortmunder Stadtverband der Kommunistischen Partei Deutschlands, die aus den Reichstagswahlen ab Mitte der 1920er Jahre als stärkste Partei herausging, veranstaltete Kundgebungen gegen den imperialistischen Krieg in Marokko und China und verknüpfte damit die Forderung „Hände weg von Sowjetrussland“. Die Ortsgruppe Dortmund der Internationalen Arbeiterhilfe führte die China-Veranstaltungen quasi flächendeckend in allen Stadtteilen durch, in Dortmund-Marten sogar mit einem Redner der KP Chinas, in chinesischer Sprache und ohne Übersetzung (es wurde lediglich eine schriftliche Zusammenfassung nach Vortragsende verteilt). Zu gleicher Zeit fanden auch Benefiz-Konzerte zugunsten der chinesischen Volksbefreiungsbewegung mit Eduard Soermus, „dem roten Geiger“, in Dortmund, Lünen und Marten statt.
Mit der bürgerlich-pazifistischen Deutschen Friedensgesellschaft waren gemeinsame Antikriegskundgebungen in Dortmund wohl nicht (mehr) möglich. Die Verhandlungen scheiterten an antiimperialistischen Grundsatzfragen, denn die KPD und die anarcho-syndikalistische Freie Arbeiter Union konnten
„nicht den revolutionären Krieg eines unterdrückten Kolonialvolkes ablehnen“.
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