Friedrich Fabri, Leiter der (evangelischen) Rheinischen Missionsgesellschaft, setzt 1879 mit seinem Buch “Deutschland braucht Kolonien” in Deutschland einen Agitationsprozess für deutsche Kolonien in Gang und lieferte dazu die weithin rezipierte ideologische Begründung, die auch in Dortmund Unterstützung fand.

Der Reichstag lehnte 1880 die sogenannte Samoa-Vorlage und damit die Übernahme von Staatsgarantien für ein Engagement der Disconto-Gesellschaft (Vorläufer der Deutschen Bank) ab. Die Handelkammer Dortmund bedauerte und verurteilte die Ablehnung der „den Erwerb der dominierenden Besitzungen auf den Samoa-Inseln bezweckende Vorlage sehr lebhaft“. Sie positionierte sich pro-kolonial und forderte „klare und nicht mißzudeutende, auf die Inaugurirung einer energischen deutschen Kolonialpolitik gerichtete Schritte der Reichsregierung“. Denn aus Sicht der Dortmunder Wirtschaft war die Sachlage klar: „Die erst in den letzten Decennien begonnene mächtigere Entwickelung des deutschen Großhandels hat bisher noch nicht das geschaffen, was im Interesse des Ganzen im höchsten Grade wünschenswert erscheinen muß, die Unabhängigkeit des Landes bez. des Importes der Colonialerzeugnisse“.

Die Handelskammer Dortmund gehörte reichsweit zu den bedeutendsten pro-kolonialen Akteuren. In den Jahresberichten der Handelskammer heißt es dazu: 

Die wichtigste Aufgabe unseres Landes auf materiellem Gebiet für die Gegenwart ist die Beschaffung und Einrichtung von Colonien“  und „die deutsche Colonisation ist eine Bedingung, ohne deren Erledigung wir eine dauernde Gesundung unserer socialen und Erwerbsverhältnisse kaum erwarten dürfen“.

Exportwirtschaft und Auswanderungsfrage gingen einher mit der Forderung nach Kolonialbesitz: Die Regierung müsse „um jeden Preis neue Länderstrecken fruchtbaren, nicht zu teuren Landes erwerben“. Der Präsident der Handelskammer Dortmund bat die Mitglieder denn auch um “öffentliche und ostensive Demonstration zu Gunsten der Colonialpolitik der Regierung im Allgemeinen und der Dampfersubventionsvorlage im Besonderen”.

Das Ansinnen imperialistischer Weltpolitik ging einher mit den Interessen regionaler Akteure, denn Dortmund wurde ein wichtiger Umschlagplatz von Kolonialwaren. Die Kammer forderte eine „zollfreie Niederlage“ in Dortmund, denn eine „solche würde nicht allein der Tabakfabrikation, sondern auch dem hiesigen sehr bedeutenden Kolonialwarenhandel namentlich in Anbetracht der letzten Zollerhöhungen sehr zu statten kommen.“

Westdeutscher Verein für Kolonisation und Export

Vertreter der Dortmunder Wirtschaft unterstützten die kolonialen Bestrebungen und nahmen 1882 aktiv teil an der Gründung des “Westdeutschen Vereins für Kolonisation und Export“, einem der ersten und zugleich wirkmächtigsten Kolonialvereine, der sich im Wesentlichen aus den Industriellen des Rhein-/Ruhr-Gebietes zusammensetzte. Der Sekretär (Geschäftsführer) der Handelskammer Dortmund, Ernst Bernhardi, der Rittergutsbesitzer Overweg (Mitglied im Vorstand der Handelskammer Dortmund) und der Dortmunder Amtsrichter und Landtagsabgeordnete Theodor Schmieding wirkten im Vorstand des „Westdeutschen Vereins“ mit. Auch angesichts der personellen Verquickung überrascht es nicht, dass die Handelskammer „mit lebhaftem Interesse Kenntnis von den Bemühungen des Westdeutschen Kolonialvereins zu Gunsten eines Kolonisationsversuchs in Südamerika“ nahm.

Heiden-Mission

Die evangelische Kreissynode Dortmund beschloß 1879, dass in jeder Gemeinde jährlich im Interesse der Mission ein Hauptgottesdienst mit Kollekte gehalten werden sollte. Im Folgejahr wurde an den General-Superintendenten berichtet, dass „in allen Gemeinden der Diöcese in der Adventszeit oder am 2. Weihnachtstage eine besondere Missionsfeier mit Collecte“ stattgefunden habe. Im Jahre 1882 wird die Gründung eines Kreis-Synodal-Missionsvereins beschlossen, der sich dann 1883 dem Märkischen Missions-Verein, einem der Hilfs-Gesellschaften der Rheinischen Missionsgesellschaft in Barmen, anschließt.

Erze aus Hereroland

Noch vor der Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (Namibia) sah sich die Industrie des Ruhrgebiets nach Rohstoffmärkten um. Peter Scheidweiler, etwas später wohnhaft in Dortmund, Bismarckstr. 9, erwarb 1883 Minenkonzessionen in Hereroland (direkt und/ oder indirekt von Jan Jonker und Abraham Swartbooi). 1895 ist er Vorstandsmitglied der Kaoko-Land- und Minen-Gesellschaft (Bergbau in Deutsch-Südwest). Und der Dortmunder Oberbergrat Max Busse führte geologische Untersuchungen in Hereroland durch (später wird er Gründer und Vorstand des Ausenkjer Syndikat, Land- und Minengesellschaft, einer Minengesellschaft in Deutsch-Südwest).

Völkerschau

Die Herren Zulus” gastierten am 28. und 29. August 1879 in der Gaststätte Kühn und waren damit die – vermutlich – erste Völkerschautruppe in Dortmund. “Das Volk der Zulus, welches durch seinen Krieg mit England die größte Aufmerksamkeit erregt hat, hat seine leibhaftigen Vertreter nach Dortmund gesandt“, hieß es in der Ankündigung, um dann zu resümieren:

hässliche, ekelerregende Menschen, ohne alle Intelligenz, innerlich roh, äußerlich diesem entsprechend gekleidet, ohne nationalen Charakter“.

Viele andere Völkerschauen werden folgen, manche begehrt und umjubelt, andere - so wie hier - rassistisch geschmäht.

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